David Röthlisberger ist Kameramann, Colorist und Fotograf in Bern. Als Teil unseres CINE.EQUIPMENT Teams ist er eine wichtige Vertretung der Filmemacher-Community. David vertritt für uns ein wahres Filmemacher Herz. Für ein gutes und sauberes Resultat scheut er keinen Aufwand und um den Wert eines Films zu bewahren ist er sich nicht zu schade auch mal anderer Meinung als die Mehrheit zu sein. Im folgenden Interview gibt uns David Einblick in sein Schaffen als Colorist beim aktuellen Film African Mirror von Mischa Hedinger, der im Forum der 69. Internationalen Filmfestspiele Berlin seine Weltpremiere feiern durfte und für den besten Schweizer Dokumentarfilm 2020 nominiert wurde.
Synopsis African Mirror
“Der Schweizer René Gardi (1909-2000) erklärte uns über Jahrzehnte hinweg den afrikanischen Kontinent und seine Bewohner. In Büchern, Fernsehsendungen und Filmen schwärmte er von den schönen nackten Wilden und der vormodernen Zeit, in der sie lebten. Die angeblich heile Welt wurde zu Gardis Paradies und Afrika zur Projektionsfläche für die Sehnsüchte der Zuhausegebliebenen.
Der Film AFRICAN MIRROR erzählt die Geschichte unseres problematischen Afrikabildes anhand Gardis Archiv, in dessen ambivalenten Bildern sich unser europäisches Selbstverständnis vielfach spiegelt. Der Film entlarvt das Bildermachen als eine Form des Kolonialismus und zeigt, wie wir uns bis heute einem Blick in diesen Spiegel verweigern.”
Beim Film African Mirror handelt es sich um einen Archivfilm. Du hast in der Postprodukton die Farbkorrektur übernommen. Wie bist du an den Film herangegangen und wie bist du mit den Archivaufnahmen umgegangen?
Gegen Ende der Schnittphase, die auch aufgrund des immensen Umfangs und der Vielfalt des Materials sehr lange dauerte, wurde ich angefragt, die Postproduktion technisch zu betreuen. Alle Filmrollen von Gardi waren im Lichtspiel gelagert, dort hatte Mischa das Filmmaterial abgefilmt und damit geschnitten. Nun ging es darum diese abgefilmten Aufnahmen mit einer qualitativ hochwertigeren Digitalisierung zu ersetzen. Weil ein grosser Teil des verwendeten Materials aus bisher unveröffentlichtem Material und oft von Rollen in schlechtem Zustand besteht, waren wir froh die Digitalisierung vor Ort machen zu lassen. Im nächsten Schritt ging es um die Entscheidung was und wie mit diesem Filmmaterial auf einer technischen aber auch künstlerischen Weise im Bezug auf die Farben und Kontraste umgegangen wird. Auf Film gedrehtes Material hat, besonders wenn es älter ist oder umkopiert wurde, viele Fehler, Kratzer, Unschärfen, Staub, aber auch je nach verwendetem Filmmaterial unterschiedliche Farbigkeiten. Diese Qualitäten sah ich als Ausgangslage an, ergänzend dazu kam die Sprache oder Stimmung der jeweiligen Szene und was sie in welcher Form erzählen will. Dadurch unterschieden sich einzelne Szenen stark. So gab es einige Szenen in denen ich Staub und Kratzer fast vollständig wegretuschierte und das Bild stabilisierte, in anderen wiederum blieben viele Artefakte und die Laufunruhe der Einzelbilder drin, weil durch diese Fehler sich der Inhalt passender erzählt.
Wie viel darf man denn an Archivbildern überhaupt verändern?
African Mirror ist auf allen filmischen Ebenen eine künstlerische Interpretation, kein Portrait der Person Gardi oder seiner Arbeiten. Seine Filme und Texte haben unser Afrikabild geprägt und verzerrt und anhand von ihnen will Mischa den Blick des Betrachters reflektieren. Durch diese freie Interpretation wurden auch gestalterische Freiräume geschaffen in denen man mehr eingreifen kann als das sonst ein Filmrestaurator machen würde. Ich bin kein Filmrestaurator und Archivfilmexperte und habe dadurch auch eher einen pragmatischen Zugang: Für mich ist jede Aufzeichnung mit einem technischen Apparat, sei es auf Zelluloid (Film) oder mit einem digitalen Sensor ein Einzwängen in ein bestimmtes System mit total unterschiedlichen Faktoren. Dadurch ist die Frage nach dem Original oft relativ unklar. Was darf man verändern? Wie sah das Original aus? Hatte das auch schon diese Kratzer, diesen Farbstich? Eventuell, den lassen wir drin. Wollte der Kameramann diesen blauen Farbstich auf dem Gesicht der Protagonistin? Mit dieser Fragestellung muss man sich auch bei der Arbeit als Colorist mit zeitgenössischem Filmmaterial beschäftigen. Gerade mit aktuellen Workflows wie RAW-Formaten ist das aufgenommene Bild eher eine mathematische Ausgangslage von der aus man relativ frei Farben zuordnen kann. Gerade in dokumentarischen Arbeiten verführt das dazu, auch mal etwas zuviel zu machen. Ich probiere mir dieser Verantwortung bewusst zu sein, und sehe eine Gefahr darin, dass dieses Bewusstsein in der täglichen Arbeit mit Bildern vergessen gehen kann. Auch habe ich das Gefühl, dass man sich wenig Gedanken darüber macht.
Welche Verantwortung meinst du im Hinblick auf die Arbeit als Colorist?
In vielen dokumentarischen Produktionen sieht man die Tendenz einer Ästhetisierung der Bilder. Diese als Betrachter richtig einzuordnen, zu lesen kann unter Umständen schwierig sein. Ich finde es nicht gut, wenn man etwa einen Lookup-Table verwendet, einfach weil dann alles toll nach Hollywood aussieht, ohne sich die Frage zu stellen, was beim Betrachter ausgelöst wird.
Beim aktuellen Kurzfilmprojekt Bergruf (AT) von Yannick Mosimann hast du auf Film gedreht hast. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Yannick und ich haben einfach Freude gehabt mal was auf Film auszuprobieren. Dieser Entscheid war weniger ein ästhetischer sondern eher ein bewusster Entscheid für eine bestimmte Arbeitsweise. Ich fotografiere meist Analog als Recherche und für eigene Projekte. Im Moment des Auslösens passiert ein physischer Vorgang, das ist mir wichtig. Und es ist auf Dreharbeiten, gerade dokumentarischer oder experimenteller Art ein schönes Gefühl, dass da was durchläuft das einen Wert hat. Das gibt dem Moment der Aufnahme auch eine andere Wertigkeit. Ich finde jedes Filmprojekt hat eine spezifische Materialität und für diese muss man sich auch bewusst entscheiden. Das hat nicht mit der Analog-Digital-Dogmatik zu tun. Es passt nicht jedes Werkzeug zu jedem Arbeitsschritt. Was ich spannend finde ist, dass Filme, obwohl sie zuerst und zuletzt im Kopf einzelner Personen existieren, trotzdem nur mittels technischer Gerätschaften entstehen und betrachtet werden können. Im Grading macht es Spass, wenn die Kamera bereits ein Bild liefert, das mir Freude bereitet und ich nicht zuerst daran herummurksen muss, bis es einigermassen daher kommt. Das hat vor allem eigentlich mit der Person hinter der Kamera zu tun und weniger mit der Technik. Das Aufnehmen auf Film macht aber auch ungeduldig. Es war für uns ein lehrreicher Dreh auch voller Fehler, die aber dem Projekt sicherlich gut tun.
Steckbrief
Name: David Röthlisberger
Alter: 35
Wohnort/Arbeitsort: Bern
Filmschaffender seit: 2009
Website: www.davidroethlisberger.ch